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Institut für Archäologie Fachbereich Klassische Archäologie

Artefakt und Text. Konzepte, Gestaltung und Verwendung hellenistischer und römisch-kaiserzeitlicher Inschriftenhermen (3. Jh. v. Chr. - 3. Jh. n. Chr.)

von Caterina Schorer

Hermen waren antike Objekte, die einen pfeilerförmigen Schaft mit einem figürlich gestalteten männlichen Geschlecht (phallus) und kubischen Armstützen mit einem Götterbild oder Porträt kombinierten. Archäologisch seit dem 6. Jh. v. Chr. in Athen und Attika belegt, dienten sie zunächst als Kultbilder des Gottes Hermes, Weihgeschenke, Wegmarkierungen, Grenzsteine und Torhüter. Diese althergebrachte Monumentform erlebte durch ihre Neuinterpretation als Porträtdenkmal im Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit eine phänomenale Renaissance.

Lange Zeit konzentrierte sich die archäologische Forschung zu Hermen auf deren Funktion als Bildnisträger und dekorative Ausstattungsobjekte. Dabei blieben höchst signifikante Eigenheiten dieser außergewöhnlichen und durchaus seltsamen Klasse von Artefakten weitgehend unbeachtet: Nicht nur die Tatsache, dass man bei diesem Monumenttyp überwiegend anikonische Schäfte mit ikonisch gestalteten Köpfen kombinierte, sondern auch, dass diese teil-ikonischen Artefakte zusätzlich an verschiedensten Stellen ihres „Körpers“ mit Inschriften versehen wurden, ist äußerst bemerkenswert. Auch die Tatsache, dass die Produktion dieser Monumente ab dem Hellenismus sprungartig ansteigt und sie an Fundorten im gesamten Mittelmeerraum in vielfältigen Nutzungskontexten gefunden werden können, erstaunt, ist bisher allerdings nicht mit ihrer hybriden Funktion als Bild- und Inschriftenträger in einen Erklärungszusammenhang gebracht worden.

Obwohl das Zusammenspiel von Inschriften und Bild an Skulptur und Artefakt im Rahmen einer eigenen Forschungsrichtung der Bildwissenschaften seit mindestens zwei Jahrzehnten intensiv untersucht wird, fehlt bisher erstaunlicherweise eine entsprechende Untersuchung für inschriftentragende Bildnishermen. Getrennt voneinander wurden die Inschriften und Köpfe der Pfeilermonumente zwar oft untersucht; allerdings ist bislang nie ein Versuch unternommen worden, systematisch die Ko-Präsenz beider Medien an den Objekten zu analysieren und zu deuten. Die Dissertation wird dieses noch offene Forschungsdesiderat erfüllen, indem sie „Inschriftenhermen“ basierend auf einer überregional angelegten, systematischen Materialstudie sowohl auf materieller und medialer sowie auf kontextueller Ebene untersuchen und miteinander vergleichen wird. So wird sie dazu gelangen, die Konzeption und das spezifische mediale Potenzial dieses hybriden „Bild-Text-Artefakts“ herauszuarbeiten und seine Ästhetik, Wahrnehmung und Verwendung in der antiken Rezeptionssituation zu erklären. Problematische, artifizielle Fächergrenzen zwischen den Disziplinen Klassische Archäologie, Alte Geschichte (Epigraphik) und Klassische Philologie, denen auch die Gattung der Herme zum Opfer gefallen ist, sollen dabei für diese Studie bewusst aufgebrochen werden. Der methodische Ansatz, dass die Medialität von Schrift in hohem Maße auch auf ihren materiellen Eigenschaften basiert und sie daher nicht ausschließlich als Vermittler diskursiver Textinhalte aufgefasst werden sollte, wird hierzu entscheidend beitragen. Gleichzeitig soll die inhaltliche Erschließung der Inschriften Antworten auf die Konzeption der Hermen mit Bild und Text liefern.

Inschriftenhermen werden somit erstmals unter kulturhistorisch relevanten Fragestellungen im Zentrum einer Forschungsarbeit stehen: Wie und weshalb sich die antiken Kulturen ausgerechnet die Inschriftenhermen als visuelles Kommunikationsmittel schufen, welche spezifischen Interessen und Bedürfnisse man durch dieses einzigartige Medium kommunizierte und weshalb man die Grundidee der Inschriftenherme über einen langen Zeitraum immer wieder neu aufgriff, wird so erstmals anhand eines dezidiert material-, medial- und kontextbasierten Ansatzes erklärt werden.