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Institut für Archäologie Prähistorische Archäologie

Schwer bewaffnet und reich geschmückt ins Grab. Die frühmittelalterlichen Gräberfelder von Steckborn-Obertor und Chilestigli TG

von Gabriel, Amanda

Halskette mit 213 Perlen aus Steckborn-Obertor, Grab 4 (Grabung 1934). Amt für Archäologie des Kt. Thurgau, Daniel Steiner

 

Abstract: Bisher sind aus Steckborn TG rund 150 Gräber aus dem Frühmittelalter dokumentiert worden. Die ersten rund 40 Gräber wurden von K. Keller-Tarnuzzer 1934 in der Flur "Obertor" untersucht und 1935 inkl. anthropologischem Bericht vorgelegt. Dabei wurde auch ein sehr reiches Frauengrab mit einer rund 2 Meter langen Perlenkette ausgegraben (Abb. 1). Infolge Bauarbeiten mussten 1989 und 2006 erneut Grabungen auf derselben Flur durchgeführt werden. Viele Gräber wiesen leider deutliche Spuren von (antiken?) Störungen auf, eventuell auch infolge Grabraubs. Die Hälfte der Gräber enthielt aber Beigaben – eines sogar ein Goldblattkreuz (Abb. 2). Die Ausdehnung des Gräberfelds scheint nunmehr praktisch vollständig erfasst. Das zweite Gräberfeld in der Flur "Chilestigli" wurde bereits 1958 von F. May systematisch ausgegraben und 1961 ebenfalls inkl. anthropologischem Bericht vorgelegt. Dabei wurden mehrere Grabeinfassungen mit grossen Sandsteinplatten dokumentiert, die meist keine Beigaben enthielten. Einer der spektakulärsten frühmittelalterlichen Funde aus dem Kanton Thurgau, eine Goldscheibenfibel (Abb. 3), stammt aber aus dem Gebiet "Chilestigli".

Das reiche Fundmaterial aus dem "Obertor" und "Chilestigli" umfasst neben Spathen und Saxen auch Lanzenspitzen, Pfeilspitzen, Gürtelbestandteile, Schnallen, Messer sowie Perlenketten, Ohrringe und tauschierte Wadenbindengarnituren. Dank sorgfältigen Blockbergungen bei der Grabung 2006 konnten Leder-, Textil- und Holzreste sichergestellt werden. Die Gräber mit Beigaben zeigen einen überdurchschnittlichen Wohlstand an. Als exklusive Objekte sind sicher das Goldblattkreuz und die Goldscheibenfibel zu werten.

Die Gräberfelder in Steckborn gehören zu einer Reihe von Gräberfeldern die sich entlang des südlichen Bodenseeufers befinden (u. a. Ermatingen, Güttingen, Mammern, Eschenz). "Was seit 1925 [�] fehlt, ist eine umfassende Betrachtung der Geschichte des Kt. Thurgau im frühen Mittelalter und eine zusammenfassende, übersichtliche Vorlage der archäologischen Funde" (Brem, 1997, 86.) Einen Beitrag dazu soll diese Masterarbeit leisten. Ziel ist eine Vorlage des Fundmaterials und dessen Einordung in einen überregionalen Zusammenhang, sowie eine Auswertung und Interpretation der Befunde der Grabungen. Ob die beigabenlosen Gräber mit Steinsetzungen nach 800 n. Chr. entstanden oder ob es sich hier um nicht alemannische Personen handelt (Romanen?) muss zur Diskussion stehen. Ebenfalls die Interaktion zwischen Alamannen und Langobarden, die sich in Form eines Goldblattkreuzes manifestiert. Ausgehend vom Fundplatz Steckborn soll ferner eine kurze Raumanalyse der weiteren frühmittelalterlichen Fundstellen des Kantons Thurgau erfolgen, sowie auch weitergehende Forschungsfragen auf ihr Potenzial abgeklärt werden.

Literatur:
Brem, H. (2005) Eine Perlenkette aus dem Gräberfeld Steckborn. In: Verkehrsverein Mammern (Hg.), Germann, M. (Red.) Mammern und seine alamannische Vergangenheit. Heimatkundliche Publikation 19, 2005, 28-29.

Brem, H. (2005) Die Scheibenfibel von Steckborn – ein besonderer Fund. In: Verkehrsverein Mammern (Hg.), Germann, M. (Red.) Mammern und seine alamannische Vergangenheit. Heimatkundliche Publikation 19, 2005, 30-31.

Brem, H. (1997) Von Kaiser Valentinian I zum heiligen Otmar – Das frühe Mittelalter im Kanton Thurgau (Archäologie der Schweiz, Bd. 20) 1997, 86-90.
Keller-Tarnuzzer K. (1935) Das alamannische Gräberfeld vom "Obertor". Steckborn. Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Heft 72, 1935, 70-92

May, F. (1961) Die Alamannengräber von Chilestigli in Steckborn. Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Heft 98, 1961, 5-25.
Amt für Archäologie des Kantons Thurgau (Hg.) (2013) Römer, Alamannen, Christen. Frühmittelalter am Bodensee, Frauenfeld, 2013.
 

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