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Institut für Archäologie Prähistorische Archäologie

Allzu frueh verstorben... Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Kindern in der Latènezeit

von Zweifel, Ursina

 

Abstract: Kinder haben in praehistorischen Gesellschaften einen grossen Teil der Bevoelkerung gestellt. Trotzdem sind sie als Forschungssubjekte archaeologischer Studien bis auf einige wegweisende Arbeiten in den letzten 20 Jahren immer noch selten. Die meisten archaeologischen Kindheitsforschungen beziehen sich auf Kinderbestattungen: Graeber sind die einzige Quellengattung, in welcher Kinder in der Archaeologie tatsaechlich sichtbar sind. Obwohl in der Schweiz einige Graeberfelder aus der Latènezeit bekannt sind, wurde den Kindergraebern bisher wenig Beachtung geschenkt. Das ist auch damit zu erklaeren, dass viele latènezeitliche Graeber bereits anfangs des 20. Jh. gegraben wurden und anthro-pologische Daten, welche zur Identifikation von Kindergraebern beitragen, aus diesen Grabungen nur unvollstaendig oder gar nicht vorliegen. Dennoch brachten auch neuere Ausgrabungen in Bern (Reichenbachstrasse, Jud in Vorb.) und Ipsach eine erhebliche Anzahl Kindergraeber zu Tage.

Der Wunsch, latènezeitliche Kinderbestattungen in der Schweiz und deren sozialarchaeologisches Aussagepotential besser zu verstehen, war Anlass zu dieser Arbeit. Sie ist in drei Teile gegliedert:

Im ersten Teil einen werden fuenf neu entdeckte Graeber von Ipsach vorgelegt. Im Fokus dieses Teils stehen die Materialvorlage, die Datierung und die kulturraeumliche Einordnung der Graebergruppe.

Im zweiten Teil werden latènezeitliche Kindergraeber der Schweiz unter sozialarchaeologischen Gesichtspunkten untersucht. Im Fokus dieses Teils steht die Reaktion der Gesellschaft auf den Tod eines Kindes und die daraus ableitbaren Interpretationen zur sozialen Position der Kinder in der Gesellschaft. Da fuer die meisten Graeber anthropologische Daten fehlen, die Hinweise auf die Lebenswirklichkeit von Kindern (Ernaehrung, Krankheiten, Arbeitsbelastung etc.) geben koennten, steht die gesellschaftliche Wahrnehmung der Kinder im Vordergrund. Dass Graeber kein Spiegel des Lebens sind, sondern auch gesellschaftliche Idealvorstellungen von sozialen Personen und gesellschaftlichen Rollen widerspiegeln, kommt dieser Herangehensweise zu Gute. Dabei interessiert in erster Linie, wie Kinder in ihrer unmittelbaren Gemeinschaft (d.h. im jeweiligen Graeberfeld) im Bezug zu anderen Al-terskategorien hinsichtlich der Grabarchitektur, Beigaben und raeumlichen Anordnung der Graeber bestattet wurden und wie allfaellige Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Alterskategorien zu werten sind. Erst in einem zweiten Schritt wird dann ermittelt, ob es auch graeberfelduebergreifende Merkmale von Kinderbestattungen in der Latènezeit gibt.
Die Auswahl der untersuchten Graeberfelder erfolgt aufgrund des Quellenstandes. Methodisch sind drei Verfahren vorgesehen: eine Clusteranalyse (quantitativ) der Beigabengruppierungen unter Beruecksichtigung der Lage der Beigaben, ein qualitativer Vergleich der Grabbeigaben und eine Untersuchung der raeumlichen Anordnung der Kindergraeber in den Graeberfeldern. Da nicht alle Graeberfelder ueber eine genuegende Anzahl Graeber verfuegen, ist es nicht in jedem Fall moeglich eine Clusteranalyse durchzufuehren.

Die gewonnen Informationen werden im dritten Teil als abschliessenden Synthese theoretisch diskutiert. Dabei werden sowohl Ansaetze aus der sozialwissenschaftlichen Kindheitsforschung sowie der kulturanthropologisch orientierten Graeberforschung beruecksichtigt.

Literatur
K.W. Alt et al. (Hrsg.), Kinderwelten: Anthropologie - Geschichte - Kulturvergleich (Koeln, Weimar, Wien 2002).

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B. Kraus, Befund Kind. Ãœberlegungen zu archaeologischen und anthropologischen Untersuchungen von Kinder-bestattungen (Bonn 2006).

Ch. Kuemmel et al. (Hrsg.), Koerperinszenierung - Objektsammlung - Monumentalisierung: Totenritual und Grabkult in fruehen Gesellschaften. TAT 6 (Muenster, New York, Muenchen, Berlin 2008).

J. Mueller (Hrsg.) Alter und Geschlecht in ur- und fruehgeschichtlichen Gesellschaften: Tagung Bamberg 20.-21. Februar 2004. UPA 126 (Bonn 2005).
M. Ramstein, Ipsach Raeberain. Latènezeitliche Graeber im roemischen Gutshofareal. Archaeologie Bern 2010, 96-97.

B. Roeder, Perspektiven fuer eine theoriegeleitete praehistorische Kindheitsforschung. Mitteilungen der Anthropo-logischen Gesellschaft in Wien 140, 2010, 1-22.

J. Sofaer Derevenski (Hrsg.), Children and Material Culture (London and New York 2000).

Weiterführende Informationen